Fahrtenbericht SY MAKITO

Martin Fleischer
Fahrtenbericht SY MAKITO 29. April – 25. Mai 2014

I. Eckdaten
Fahrtgebiet: Stettiner Haff, Rügen, Strelasund, Zingst/Fischland, Bodstedter Bodden, Westpommersche Küste. Die geplanten Ziele Bornholm und Südschweden mussten wegen widriger, meist nördlicher Starkwinde aufgegeben werden, aber die wenig befahrenen Gewässer des Naturparks Vorpommersche Boddenlandschaft haben dafür entschädigt. Bilanz: 615 sm, 373 sm unter Motor, 242 sm unter Segeln, 26 Tage. Darunter waren 4 Hafentage, sowie eine ziemlich unvernünftige aber aufregende Nachtfahrt von Altenhagen nach Barhöft (bei der wir in mondloser Dunkelheit aufliefen, nicht etwa wegen Navigationsfehler, sondern genau zwischen der roten und grünen Fahrwassertonne!).

An Bord waren im Wechsel meine Frau sowie meine Freunde Ben und Michaela, zwischendurch war ich ein paar Tage „einhand“ unterwegs.
Dies war mit vier Wochen die bislang längste Zeit, die ich ununterbrochen auf dem Boot gelebt habe. Mit einem Tag-für-Tag Bericht würde ich wohl die hartnäckigsten Fans langweilen. Daher möchte ich den Lesern nur zwei Dinge anbieten: erstens den Logbuchauszug von einem Tag, an dem fast alles schief ging; und zweitens meine Email- Postkarte ein paar Tage später.

II. Logbuchauszug von Samstag, 10. Mai
Ein Segeltag – diesmal wieder allein – der in Dänholm bei Stralsund gut anfängt und bald in eine Pannenserie mündet. Die erste Panne passiert schon beim Aufstehen: Der Wecker war rechtzeitig gestellt, um Punkt 9:20 durch die Brücke Ziegengraben zu fahren; der Kaffee schmeckt und die Sonne scheint. Aber dann erklären mir Kameraden vom Segelclub, dass die Öffnungszeit auf 8:20 vorverlegt wurde, und die nächste sei erst um 12:20 Uhr. Vier Stunden Zeit. Nun gut, ich fahre mit dem chinesischen Klapp-Fahrrädchen nochmals über eben diese Klappbrücke in die Stadt, kaufe mir eine schöne Allwetterjacke und Pfeifentabak. Danach Frühstücksbuffet am Stralsunder Markt, endlich gibt es mal wieder Internet, nicht auf die Uhr geguckt, und schon wieder wird die Zeit knapp.

Gottseidank passt das „Mikrofahrrad“ nebst den Einkäufen nicht nur in die Hundekoje der MAKITO, sondern auch in jeden Kofferraum, daher geht es per Taxi zum Boot und dann gerade noch rechtzeitig unter der Brücke durch.

Bei NW 5 kämpfe ich hoch am Wind den Strelasund hinauf, eigentlich mit Ziel Zingst und Fischland. Aber auf Höhe Barhöft wird mir klar, dass das Bolzen gegen den inzwischen auf W bis SW gedrehten Wind wenig Sinn macht, und drehe ab in die Fahrrinne nach Norden mit Ziel Hiddensee. Ist doch auch schön dort, nicht wahr? Oops, das ist aber die falsche Rinne, die führt ja hinaus in die offene Ostsee, und ein Blick in den Seewetterbericht verheißt dort See um 1,5 m – klingt nicht nach einer guten Idee, besonders nicht einhand. Ich beschließe, erst mal zu ankern, um Kaffee zu machen und in Ruhe einen neuen Kurs abzustecken. Das wiederum war wohl auch keine gute Idee! Denn der Heckanker, den ich für kurze Stopps gern benutze, hält nicht, wenn frischer Wind von achtern auf die Sprayhood steht. Schon sitze ich fest im Sand, Schwert ist nicht mehr aufzuholen (das häne ich mal vorher tun sollen). Ich funke den Renungskreuzer in Barhöft an, der verspricht baldige Schlepphilfe. Also abwarten bei Pfeifchen und einem Glas Wein, beobachte die Vögel auf der Sandbank; dabei geht mir durch den Kopf, was ich an langen Winterabenden in schlauen Segelbüchern so alles über Freikommen bei Grundberührung gelesen hatte. Probieren wir es doch mal aus: Maschine volle Kraft zurück, Ruder eingeschlagen, Segel back gestellt, in Lee in die Wanten hängen und schaukeln – ja, schließlich komme ich allein frei! Prima, ich informiere per Funk den Renungskreuzer, der schon unterwegs war, und segele unter Genua zurück, um die richtige Fahrrinne zu nehmen. Aber dann geht die Pechsträhne weiter: Als ich am Ende der Sandbank zum Wenden die Maschine zu Hilfe nehmen will, sagt der Anlasser keinen Mucks. Anwerfen
von Hand mit der Schnur? Theore$sch geht das, aber praktisch nicht ☹ Ich probiere den Anlasser zwanzigmal, und beim 21. Mal springt der Diesel an. Also, Segel runter, und unter Motor bis in die komfortable City- Marina von Stralsund. Das Anlegen klappt – anders als letztes Jahr, wo heftige Seitenböen mich um ein Haar in die drohenden Riesenschrauben aufgeklappter Außenborder der Anglerboote gedrückt hatten – diesmal problemlos.

Beim Pfeifchen fällt mir wieder etwas ein, was ich in den besagten schlauen Büchern gefunden hatte: ich suche und finde mit der Taschenlampe den Dekompressionshebel; wenn der einrastet, kann man mit der Schnur und etwas Glück eine noch warme Maschine von Hand anwerfen.

Zugleich verabschiedet sich die Zündspannung, da ist wohl ein Kupferwurm, den ich morgen werde suchen müssen. Warum habe ich wohl auf meiner Reparatur-Liste seit einem Jahr stehen „Motorverkabelung erneuern“?
Trotz alledem – oder gerade deswegen – war es ein erfüllter Segeltag, der mit Räucherscholle und Bratkartoffeln ausklingt. Tagesbilanz: 27 sm, davon 12 unter Motor und 15 unter Segeln, zugegeben irgendwie im Kreis, ich bin nur wenige km von meinem Startpunkt enfernt. Warum sagen wohl böse Zungen, Segeln sei die langsamste, teuerste und ungemütlichste Art zu reisen?

III. Elektronische Postkarte
Wieck, den14. Mai 2014
Nun lebe ich seit über zwei Wochen auf dem Wasser und habe mich noch nicht gemeldet. Beim Segeln hat man eigentlich viel Zeit und ist doch ständig beschäftigt. Wenn man in Bewegung ist sowieso, und im Hafen gibt es immer etwas zu reparieren. Sobald Internet verfügbar ist, schreibt nicht etwa an Familie, Freunde und Kollegen, sondern man studiert akribisch das Wetter aus jeder verfügbaren Quelle in der Hoffnung, dass es morgen besser werden und der Wind endlich passen möge. Denn der Wind ist bekanntlich meist zu schwach, zu stark, oder er kommt genau von vorn, und dann muss der Diesel tuckern und gegen die Wellen ankämpfen.
Anfang Mai begann es noch milde, als Jasmin und ich über Havel und Oder ins Stettiner Haff zu einem 3-tägigen Familientreffen und danach weiter über die „Kaiserfahrt“ in die Ostsee fuhren. Vor ein paar Tagen musste sie zurück nach Berlin zum Zahnarzt, und zugleich schlugen die Eisheiligen zu: Regen, selten mehr als12 Grad und stürmische Winde der Stärke 5 bis 6 mit Böen bis 8 (natürlich und wie schon gesagt meist genau von vorn). Zum Segeln muss man wohl ein bisschen verrückt sein. Aber, so tröste ich mich, nicht halb so verrückt wie die Angler, mit denen ich die westlichen Bodengewässer als Urlaubsrevier teile: Die hocken den ganzen Tag ungeschützt in kleinen offenen Booten, um Hechte zu fangen, die sie anschließend umweltbewusst wieder ins Wasser werfen. Da hab ich’s doch komfortabler mit Kajüte und Autopilot, kann mir Kaffee oder heiße Suppe kochen, Pfeifchen rauchen, Musik hören. Vor allem kann ich entlegene Orte erkunden, wie jetzt den Naturpark Zingst/ Fischland. Das verträumte Häfchen Wieck, in dem ich gerade liege, scheint dem Bilderbuch oder der Modelleisenbahn entnommen. Hier braucht man Boote mit wenig Tiefgang, deswegen bin ich auch gern hier, denn mit meiner nächsten, sicher deutlich größeren Yacht werde ich solche Reviere nicht mehr bereisen können.

Ich „entschleunige“ mit selten mehr als 10 km/h, also etwa so schnell wie Opa auf dem Fahrrad, und doch kann ich hunderte Kilometer zurücklegen, denn anders als Opa braucht die MAKITO keine Verschnaufpausen.
Ab morgen bekomme ich wieder Crew an Bord, dann geht es zunächst zur Künstlerkolonie Ahrenshoop, ab dann immer ostwärts über Rügen zurück nach Polen, und schließlich langsam aber unweigerlich nach Berlin zurück in die Realität!
Ich wünsche Euch allen Gesundheit und Befriedigung bei dem, was Ihr gerade zu tun habt, Martin

IV. Nachwort
Dies war, seit Erwerb der MAKITO im Spätsommer 2011, der vierte Ostseetörn. Wenig später warf meine berufliche Versetzung nach Brüssel auch für das Boot die Frage einer neuen Unterkunft auf. Mit meinen rudimentären Niederländisch-Kenntnissen suchte und fand ich einen herrlichen Liegeplatz unter den Windmühlen von Wemeldinge an der Oosterschelde.

Seitdem bemühen sich Eigner und Boot mit wachsendem Erfolg, sich ans Segeln in Gezeitengewässern (und an die Preise in Holland) zu gewöhnen.
Konfuzius soll gesagt haben: „Lebe jeden Tag, als ob er Dein letzter wäre, und lerne jeden Tag, als ob Du noch hundert Jahre zu leben hänest“.